UnterErstellt: 18.10.2020
der Bezeichnung "Seewerk" begannen Ende der 30er Jahre Maßnahmen zur Errichtung einer gewaltigen
unterirdischen industriellen Produktionsanlage für einen als N-Stoff bezeichneten Bestandteil des
Raketentreibstoffes der V1-/V2-Raketen der Wehrmacht. Die wissenschaftliche Bezeichnung des N-Stoffes ist
Chlortrifluorid. Die Chemikalie ist hochgiftig und stark ätzend. Der von der Wehrmacht geplante
Verwendungszweck wurde nicht erreicht und befand sich zum Ende des 2. Weltkrieges immer noch im
Versuchsstadium.
Im Jahr 1939 begann der Bau der Anlage, deren gesamtes Areal grob geschätzt 600000 m² umfaßt. Kernstück der
Produktionsstätte ist ein 4-geschossiger Bunker mit einer Gesamtnutzfläche von rund 15000 m².
Ab 1942 begann die produktive Nutzung, welche bis zum Ende des 2. Weltkrieges anhielt. Wenige Monate vor
Beendigung des Krieges wurde mit der Errichtung von Anlagen zur Herstellung des chemischen Kampfstoffes
Sarin begonnen. Eine Fertigstellung und somit die Produktion von Sarin fand jedoch nicht mehr statt.
Bis Ende der 50er Jahre wurden auf dem Gelände, das weiterhin Sperrgebiet war und sich seit Mitte 1945 im
Besitz der GSSD (Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland) befand, keine Baumaßnahmen
durchgeführt. Offiziell befand sich hier ein Lazarett bzw. eine Heilanstalt (ab 1959 dann ein KFZ-Betrieb).
Danach (1958-1964) begann der Umbau der Anlage zu einer Kommandozentrale des Warschauer Vertrages. Dieser
Umbau war mit einem enormen Aufwand an Zeit und Material verbunden, denn die gesamte Bunkeranlage wurde
ABC-waffensicher gestaltet. 1965 wurde der Bunker mit seinem neuen Verwendungszweck durch die GSSD in Betrieb
genommen.
Im Jahr 1992 übergaben die sowjetischen Streitkräfte die Liegenschaft an das Bundesvermögensamt
Frankfurt (Oder).
Für weiterführende Informationen wird auf einschlägige Seiten im Internet verwiesen, welche mit der
Stichwortsuche "Seewerk Falkenhagen" problemlos gefunden werden können. Im Link-Bereich befinden sich
ebenfalls zwei Verweise.
Am 10.10.2020 besuchten wir in der Zeit von 10 bis 14 Uhr das Seewerk, welches sich heutzutage im Privatbesitz
befindet und von einem Paintball-Verein hauptsächlich genutzt wird. Sämtliche Gebäude auf dem Gelände bieten
einen trostlosen Anblick und verfallen zusehends. Eine Erhaltung oder sogar Restaurierung findet nicht statt.
Die Spuren von Vandalismus und sinnloser Zerstörung sind überall gegenwärtig. Nicht zuletzt fördert der
sogenannte Paintball-"Sport" den Verfall.
Was beim Betrachten der Bauten einem aufmerksamen Beobachter sofort ins Auge fällt ist die Tatsache, daß die
nach Ende der 50er Jahre im Auftrag der Russen von Spezialkräften der Vasallenarmee NVA errichteten Gebäude
deutlich stärker dem Verfall anheim gefallen sind, als die von der deutschen Wehrmacht Erbauten. Daran kann
man meines Erachtens erkennen, daß zu Zeiten des 3. Reiches tatsächlich noch deutsche Wertarbeit geleistet
wurde.
Wir konnten uns auf dem Gelände mit Einschränkungen (Paintball-Betrieb) frei bewegen und ungehindert
fotografieren und sofern möglich, die Gebäude von innen inspizieren.
Den Bunkerkomplex selbst haben wir aufgrund ungenügender Ausrüstung (Taschenlampen) nicht betreten. Leider
stellt der Veranstalter, bei dem wir die Buchung des Besuches des Seewerks vornahmen, keine ausreichende
Beleuchtung des unterirdischen Bauwerkes zur Verfügung, was angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten
und des doch beträchtlichen Eintrittspreises von knapp 70 Euro pro Person zumindest merkwürdig anmutet.
Dennoch fällt unser Fazit insgesamt positiv aus. Es war sehr interessant, dieses weitläufige Gelände erkunden
zu können.
Die hier in chronologischer Reihenfolge präsentierten Fotoaufnahmen wurden allesamt im o.g. Zeitraum
angefertigt.
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